RPC 2010 – Höllenritt durch die Adria, Teil 2
Der Wetterbericht: IN THE OPEN OF THE CENTRAL AND SOUTH ADRIATIC LOCAL GUSTS OF NW WIND 35-55, TOMORROW 30-40 KNOTS AND SEA 5-6. IN THE NORTH ADRIATIC LOCAL GUSTS OF NE and NW WIND 35-45 KNOTS, DIMINISHING TILL THE EVENING. ISOLATED THUNDERSTORMS.
Nachdem Wind und Welle in der Nacht immer mehr zunahmen, wurde das mit dem Spi auch immer schwieriger. Ein Sonnenschuss. Spifall auf, Druck ablassen. Wieso auch die Spischot???? Wir schleifen den Spi im Wasser mit irgendwann, riss er dann auch. Oder war es schon vorher? Keine Ahnung. Spi einholen, rauf in den Mast, das verflixte Spifall runter holen. Gennaker setzen und weiter.
Eine Nähmaschine dabei zu haben ist schon lässig, nur was tun, wenn der Spannungswandler den Geist aufgibt? Einer kurbelt, der zweite näht. 4 Stunden lang.Wunderschön ist er wieder geworden. Das eine Liek zwar um 1/2 Meter kürzer, aber was soll´s. Gebraucht haben wir ihn zwar danach nicht mehr, wenn wir ihn nicht repariert hätten, dann wäre das sicher anders gewesen. So ist das immer.
Andere hatten weniger Glück in dieser Nacht und den darauf folgenden Morgen....
VON JÜRGEN PREUSSER, Kurier vom 14.4.2010
Dritte Auflage – und schon ein Klassiker: Die Hochseeregatta Round Palagruža Cannonball ist Österreichs Fastnet Race: 380 Seemeilen (ca. 700 Kilometer) von der dalmatinischen Stadt Biograd rund um den kargen Adria-Felsen Palagruza, der schon fast am Sporn des italienischen Stiefels liegt, von Millionen Seevögeln und einem Leuchtturmwärter bewohnt wird. Dort kann man übrigens Urlaub machen, wenn man selbst ein schräger Vogel ist. Tut man dies zu Ostern, fliegt irgendwann eine Flotte bunt gefiederter Segelyachten an diesem Steinhaufen vorbei. So wollten es die beiden RPC-Erfinder Ronnie Zeiller und Misa Strobl.
Alle haben dieses Zwischenziel diesmal nicht erreicht: Neun von dreißig Booten mussten aus unterschiedlichen Gründen die Segel streichen: Zerteilte Spinnaker, zerfetzte Großsegel, gerissene Leinen, gebrochene Ruder, verletzte Seemänner. Spät in der Nacht kam sogar ein Mayday-Ruf der New York über Funk, der zum Glück nicht mit dem Verlust des Schiffs endete.
Am Limit Wir erlebten eine Mischung aus zu viel Risiko und höherer Gewalt. Zweiteres heißt in diesen Gewässern Bora: Der stärkste namentlich registrierte Wind des Kontinents verwandelt die „Badewanne Europas", wie die Adria irreführend genannt wird, in eine Teufelsküche. Wenn Boote, die für maximal 12 Knoten (22 km/h) gebaut sind mit knapp 20 Knoten (37 km/h) zum Surfen auf vier Meter hohe Wellen gepeitscht werden, dann sind Mannschaft und Material am Limit.
Die achtköpfige Crew von Martin Hartl aus Steyr stellte sich auf der St. Tropez dieser Wetter-Show mit bester Seemannschaft und wurde mit dem bisher deutlichsten Sieg der noch kurzen RPC-Geschichte belohnt: 54 Stunden, 6 Minuten lautet die neue Rekordzeit in der Klasse „Bavaria 42 Match". Knapp 43 Minuten dahinter wurde Christian Bayer mit seinem Aquila Sailingteam auf der Trieste Zweiter. Die Olympia-Achte Sylvia Vogl steuerte die Hobart und ihr La-Vie-Team auf Rang 3. Sieger Hartl war im Vorjahr noch unter ihrem Kommando Zweiter geworden. In der Dufour-44-Klasse waren die Inglorious Basterds von Armin Rainer auf der Malta nicht zu biegen.
Selbstzerfieischung Wellenberge und Wellentäler hatten die Organisatoren schon vor dem Start durchsegeln müssen: Ein Funktionär des Segelverbandes hatte bei den kroatischen Kollegen gegen die Regatta Protest eingelegt. Österreichische Selbstzerfleischung in Reinkultur, basierend auf irgendeiner seltsamen Formulierung in den Statuten.
„Segeln ist für ordentliche Leute" steht in den Regeln. Das ist auch notwendig, will man sicher und schnell durch 45 Knoten Wind, meterhohe Wellen, Regen und Dunkelheit gelangen. Jeder da draußen hat diesen Sportsgeist bewiesen. Und – nach menschlichem Ermessen – auch sein Verantwortungsbewusstsein.
In die Wertung schaffte es nicht jede Yacht, in Sicherheit brachten sich schließlich alle: Auf der Solent. die bei der Insel Vis noch geschätzt auf Rang 2 gelegen war, zerfetzte mitten in der Nacht der Spinnaker, ein Teil davon wickelte sich um die Mastspitze und verhinderte damit das Reffen des Großsegels. Wir trafen die Entscheidung, den Schutzhafen Komiža anzulaufen, um den Schaden zu bereinigen. Hilfe von außen – aus und vorbei.
Geblieben ist ein zweiter Platz im Konjunktiv, die bleibende Erinnerung an einen nächtlichen Höllenritt, die unbequeme Erkenntnis, dass so ein Spinnaker gut 2000 Euro kostet und die offene Frage: Wie viel Risiko ist gerade noch seemännisch?